1998 initiierte Herman Scheer die Gründung des Grüner Strom Label e.V. Der Verein setzt sich nun schon seit über 20 Jahren unermüdlich für eine erneuerbare Energiezukunft ein. Daniel, du bist seit 11 Jahren Teil dieser Geschichte und leitest die Geschäftsstelle des Vereins in Bonn. Welche vorherigen Stationen haben dich auf diesen Weg geführt?
Eine erste sehr wichtige Station war mein Studium der Politikwissenschaften mit dem Schwerpunkt im Bereich Umwelt- und Entwicklungspolitik. Auf den Verein Grüner Strom Label e.V. bin ich während eines Praktikums bei EUROSOLAR aufmerksam geworden; dort begann ich anschließend auch meinen Berufseinstieg als wissenschaftlicher Mitarbeiter.
EUROSOLAR ist Träger und Initiator des Grüner Strom Label e.V. Der damalige Vorsitzende, Hermann Scheer war auch maßgeblich verantwortlich für das Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Um die Jahrtausendwende konnte der Verein seine ersten Labelnehmer gewinnen, sowohl reine Ökostromanbieter als auch fortschrittliche Stadtwerke. 2006 wurde schließlich die hauptamtliche Geschäftsstelle des Vereins eingerichtet – davor wurde das Grüner Strom-Label „nebenbei“ von EUROSOLAR-Mitarbeitern und dem ehrenamtlichen Vorstand „betreut“.
Gerade die Schnittstelle des Grüner Strom Label e.V. zwischen Umweltverbänden wie beispielsweise dem BUND oder dem NABU und der Energiewirtschaft empfand ich als sehr spannendes und herausforderndes Arbeitsfeld; und so bin ich dem Verein und der Energiewende seit 11 Jahren treu geblieben.
Was ist deine innere Motivation für deine Arbeit? Warum engagierst du dich für erneuerbare Energien?
Da gibt es gleich mehrere Gründe. Ein nachhaltiger Lebensstil ist für mich in meinem Alltag unerlässlich und ich versuche schon mit kleinen Veränderungen, die Umwelt und das Klima zu entlasten und zu schützen. Weitestgehend verzichte ich auf Flugreisen und versuche meine Urlaube nachhaltig zu gestalten. Ich achte auf ökologisch und fair produzierte Kleidung und Lebensmittel und versuche Schritt für Schritt mehr Nachhaltigkeit in meinen Alltag zu bringen.
Meiner Meinung nach, ist die emissionsarme und ökologische Energieversorgung ein Grundpfeiler zur Bewältigung der Klimakrise. Allerdings haben die meisten sogenannten Ökostromprodukte keinen messbaren Einfluss auf den Ausbau erneuerbarer Energien. Den müssen wir aber vorantreiben. Regelmäßig gehen Menschen auf die Straße und fordern möglichst umfassende, schnelle und effiziente Klimaschutzmaßnahmen und eine klimafreundliche Politik, denn der Klimawandel ist bereits im vollen Gange und eine Erde 2.0 haben wir nun mal nicht. Das Bewusstsein für diese Notwendigkeit einer erneuerbaren Energiezukunft sowie mein persönliches Interesse an den Themen Umwelt- und Entwicklungspolitik, lassen mich jeden Morgen mit einem guten Gefühl ins Büro fahren. Ich habe die Möglichkeit meine privaten Überzeugungen in meinem Beruf wiederzufinden.
Wagen wir nochmal einen Blick in das Jahr 1998. Warum wurde gerade zu diesem Zeitpunkt ein Ökoenergiesiegel entwickelt?
1998 wurde der Energiemarkt in Deutschland liberalisiert, das heißt, von diesem Zeitpunkt an konnten Verbraucher*innen ihren Stromversorger und ihr Stromprodukt frei wählen. Mehrere Umwelt- und Verbraucherverbände taten sich daraufhin zusammen, da ihnen klar war, dass auch ein Markt für Ökostromprodukte entstehen würde. Diese Liberalisierung bot Chancen aber auch Risiken. Die Befürchtung der Verbände, dass neben glaubwürdigen Ökostromprodukten auch viele „grün-etikettierte“ Produkte auf den Markt kommen würden, die keinerlei Mehrwert für die Energiewende bieten, hat sich bestätigt.
Aus diesem Grund wurde das Grüner Strom-Label ins Leben gerufen. Das Gütesiegel sollte aber nicht nur für 100 Prozent Ökostrom stehen. Vielmehr war die Vision der Gründer damals schon, dass allein politische Rahmenbedingungen nicht ausreichen werden, um die Energiewende schnellstmöglich umzusetzen und sie möglichst dezentral, bürgernah und naturverträglich zu gestalten. Daher war und ist das Kernkriterium des Labels der garantierte Zubau von neuen Erneuerbare-Energien-Anlagen durch einen Förderbeitrag pro verbrauchter Kilowattstunde Ökostrom. Verbraucherinnen und Verbraucher fördern also die Energiewende durch ihren Strombezug. Durch unsere Förderlogik wurden in den vergangenen 20 Jahren Investitionen von rund 280 Millionen Euro in die Energiewende ausgelöst – das ist Energiewende langfristig gedacht.
Mit diesem klaren und transparenten Fördersystem können Energieanbieter ihren Kunden wirklich glaubwürdige Ökostromprodukte anbieten, die wir mit dem Grüner Strom-Label auszeichnen. Verbraucherinnen und Verbraucher auf der anderen Seite wissen durch unser Label direkt, woran sie sind. Das motiviert mich nach wie vor in meinem Job.
Was sind deiner Meinung nach die größten Herausforderungen der Energiewende und was gibt es für Lösungsansätze?
Eine der größten Hürden ist, dass in Deutschland aktuell schlicht und einfach zu wenig Erneuerbare-Energien-Anlagen zugebaut werden. Neben dem fehlenden Ausbau, besteht die Gefahr, dass viele Altanlagen nicht mehr wirtschaftlich sein werden, wenn diese in den nächsten Jahren aus der EEG-Förderung fallen. So werden Ökokraftwerke abgebaut, die noch jahrelang sauberen Strom liefern könnten. Die Politik muss dringend geeignete Rahmenbedingungen schaffen, um Altanlagen zu erhalten und mehr neue Anlagen zu bauen.
Ein positives Zeichen seitens der Bundesregierung ist aktuell die Abschaffung des 52 Gigawatt Photovoltaik-Deckels. Wenn wir die Pariser Klimaziele erreichen wollen, brauchen wir jedoch deutlich mehr solcher Maßnahmen.
Nachdem wir zurückgeschaut haben, möchte ich zum Ende auch einen Blick in die Zukunft wagen …. Wie wird sich der Verein in den nächsten Jahren aufstellen?
Das ist eine spannende Frage. Neben Ökostrom zertifizieren wir seit einigen Jahren auch Biogas. Im Moment erleben wir wieder ein deutlich gesteigertes Interesse von Verbrauchern und Energieanbietern an zertifiziertem Ökostrom und Biogas. Insbesondere für das Grünes Gas-Label konnten wir in letzter Zeit tolle neue Labelnehmer gewinnen.
Zugleich nehmen wir Zukunftsthemen in den Blick: Zurzeit entwickeln wir ein eigenes Modell zum Erhalt von Post-EEG-Anlagen. Wie bereits angesprochen, ist der Erhalt dieser Anlagen eine wichtige Aufgabe in der Energiewende. Gleichzeitig überarbeiten wir aktuell die Kriterien des Grüner Strom-Labels, um auch hier weiterhin gut aufgestellt zu sein. Dabei wollen wir zukünftig neben Strom auch die Themenfelder Wärme und Verkehr stärker in den Blick nehmen. Und wir werden uns intensiv mit dem Thema Grüner Wasserstoff beschäftigen. Ähnlich wie um die Jahrtausendwende den frisch liberalisierten Ökostrommarkt, sollten wir auch den entstehenden Markt für Grünen Wasserstoff nicht einfach sich selbst überlassen. Denn bei Grünem Wasserstoff kommt es sehr auf eine gute Gesamtstrategie und die richtigen ökologischen Kriterien an.