Am 28. April startete die diesjährige Veranstaltungsreihe des Energiewendeforum Digital. Aktuelle Perspektiven und Entwicklungen im Mieterstrom wurden mit Daniel Craffonara, (Geschäftsführer, Grüner Strom Label e.V.), Florian Henle (Gründer & Geschäftsführer, Polarstern Energie GmbH) und Carsten Buschmann (Geschäftsführer, RVI GmbH) diskutiert und einen Einblick in das Mieterstrom-Projekt in Esslingen gewährt. Falls du nicht dabei sein konntest, haben wir hier alle wichtigen Infos für dich.
Was ist Mieterstrom?
Mieterstrom-Modelle basieren auf dem Zusammenspiel zwischen Vermieter*in, Stromanbieter und Mieter*in. Der/die Vermieter*in stellt die Dachflächen für die Installation einer Solaranlage zur Verfügung, die von dem Stromanbieter betrieben wird. Bevorzugt wird der eigens produzierte Strom in das Hausnetz des Gebäudes eingespeist und an die Mieter*innen verkauft. Die Mieter*innen können ihren Energiebedarf entweder direkt decken oder den Strom mittels eines Batteriespeichers flexibel nutzen. Wird zu viel Energie produziert, so kann der überschüssige Strom in das öffentliche Netz eingespeist werden.
Vorteile von Mieterstrom
Mieterstrom ermöglicht sinkende Stromkosten und fördert die Unabhängigkeit von Energieversorgung und Strompreisentwicklungen. Neben der Stromversorgung verbindet Mieterstrom auch die Wärmeversorgung und Mobilitätslösungen. So kann vor Ort erzeugter Strom zum Beispiel Ladestationen für Elektrofahrzeuge versorgen.
Wenn Mieterstrom nicht ausreicht – auf zertifizierten Ökostrom setzen
Sollte die produzierte Energie nicht den Bedarf decken, beziehen Mieter*innen Strom aus dem öffentlichen Netz. Dabei sollte auf Ökostrom mit Mehrwert gesetzt werden, der durch das Grüner Strom-Label gekennzeichnet ist. Das Grüner Strom-Label garantiert, dass 100 Prozent echter Ökostrom erzeugt und eingekauft werden. Das Kernkriterium ist darüber hinaus, dass die Stromanbieter mit einem festen Betrag je verkaufter Kilowattstunde den Ausbau erneuerbarer Energien fördern.
Neues Stadtquartier in Esslingen
Der Ökoenergieanbieter Polarstern aus München und das Immobilienunternehmen RVI aus dem Saarland, führen bereits erfolgreich ein Mieterstromprojekt durch: Ein komplett neues Stadtquartier entsteht derzeit in Esslingen auf dem ehemaligen Güterbahnhof. Auf einer Fläche von insgesamt 26.500 Quadratmetern werden 5 Wohn- und Geschäftsgebäude mit rund 500 Wohnungen sowie Grünflächen und Höfen gebaut. Die Stadt Esslingen fordert eine 100-prozentige CO2-Neutralität. Das erfordert neben Effizienzmaßnahmen eine intelligente, dezentrale Energieversorgung durch Mieterstrom, die mit der Erzeugung von grünem Wasserstoff verbunden wird.
70 Prozent Versorgung aus Mieterstrom
Das erste der fünf Gebäude des Quartiers wurde Anfang 2019 fertiggestellt und aktuell ist der dritte Wohnblock im Bau. Für die Mieterstromversorgung wird eine Photovoltaik-Anlage in Verbindung mit einem Blockheizkraftwerk errichtet, die 70 Prozent des Strombedarfs decken werden. Für einen typischen Dreipersonenhaushalt sollen Einsparungen von voraussichtlich bis zu 25 Prozent verglichen zum Grundversorger erreicht werden. Ein intelligenter Maßnahmen-Mix mit smarten Lösungen soll das energiebewusste Verhalten der Mieter*innen fördern.
Mieterstrommodelle
Für dieses Mieterstrom-Projekt wurde das Contracting-Modell gewählt. Dabei investiert der Bauträger, die RVI GmbH, in die Anlagentechnik und der Energieanbieter, Polarstern, übernimmt alle weiteren Aufgaben, wie die Konzeption, den Anlagenbetrieb oder die Versorgung der Mieter*innen.
Alternativ bietet Polarstern das Enabling-Modell an, bei dem der Energieanbieter dem Betreiber der Energieerzeugungsanlage den produzierten Strom abkauft und damit die Mieter*innen versorgt. Weitere Sonderformen können individuell auf das Objekt und die Situation angepasst werden.
Insgesamt ist Mieterstrom eine Win-Win-Situation für alle Seiten: Der Vermieter kann seine Dachflächen wirtschaftlich nutzen, der Stromanbieter gewinnt Kunden und die Mieter*innen tragen zur Energiewende bei und profitieren gleichzeitig von sinkenden Stromkosten.