Wie präsent war das Thema Klimaschutz im Wahlkampf?
Das Thema Klimaschutz war im Wahlkampf seitens Politik und auch Medien leider wenig präsent. Auch bei den öffentlichkeitswirksamen TV-Debatten mit Spitzenkandidat:innen wurde der Klimaschutz als zentrales Zukunftsthema komplett ausgeklammert, was natürlich aus Sicht des BUND unverständlich ist und auch sehr bedauerlich. […]
Wie bewertet der BUND das Wahlergebnis aus Sicht des Klimaschutzes und der Energiewende?
Inzwischen liegt bereits ein Sondierungspapier von Union und SPD vor, was dann auch die Basis bieten soll für die Koalitionsverhandlungen. Wenn man mal sich allein den ersten Absatz anschaut, dann ist dort von historischen Herausforderungen die Rede. Da wird angeführt die wirtschaftliche Lage, die weltpolitische Lage, was sicherlich richtig ist. Aber Klimakrise ist Fehlanzeige. Wenn wir uns anschauen, in welche Richtung die Union und die SPD arbeiten wollen, dann geht es um sichere Zukunft, wirtschaftliche Stärke und gesellschaftlichen Zusammenhalt – wichtige Ziele. Klimaschutz und der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen sind aber erneut Fehlanzeige. […]
Was sind eure Erwartungen an die künftige Bundesregierung? Und wie müssen die Weichen für die nächsten vier Jahre aus eurer Sicht gestellt werden?
Also ganz klar ist: Klimaschutz und der Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist kein Luxusgut, kein On-Top, wenn man alles andere erreicht hat, was man erreichen will. Sondern Klimaschutz und die Bewahrung unserer natürlichen Lebensgrundlagen ist eine Grundvoraussetzung. Eine Grundvoraussetzung für Gesundheit, für soziale Sicherheit, für zukunftsfähige Arbeitsplätze und eben auch ein gutes Leben. Wenn der Bundestag in Kürze über das Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für neue Investitionen entscheidet, dann ist unsere Forderung ganz klar: All diese Investitionen müssen konsequent und auch verbindlich auf den Klimaschutz einzahlen, das heißt: auf das Ziel der Klimaneutralität und den Schutz von Umwelt und Natur berücksichtigen.
Es gibt eine ganze Reihe von Handlungsfeldern, die da rein müssen. Einmal geht es schwerpunktmäßig im Bereich der Mobilitätswende um die Modernisierung der Bahn, den Ausbau des ÖPNV, die Sanierung vorhandener und vielfach auch maroder Infrastruktur – und nicht darum, in neue klima- und umweltschädliche Autobahnen zu investieren.
Im Bereich der Erneuerbaren müssen wir den eingeschlagenen Weg fortsetzen. Das heißt, wir brauchen einen weiteren konsequenten Ausbau der Erneuerbaren, und zwar naturverträglich.
Und ein ganz wichtiger weiterer Bereich: Wir müssen die Wärmewende voranbringen, sozial verträglich. Und da geht es vor allem auch darum, die Gebäude vorrangig energetisch zu sanieren, die im schlechtesten Zustand sind.
Weiterer Punkt ist: Wir müssen die Industrie in Deutschland dekarbonisieren und klimafreundlich umgestalten – auch da braucht es Investitionen.
Und: Es geht auch um den natürlichen Klimaschutz, also unsere natürlichen Ökosysteme – wie Wälder, Moore, Auen – nicht nur zu erhalten, sondern auch zu renaturieren. Denn sie sind entscheidende Treibhausgasspeicher und erfüllen viele Funktionen auch für die Gesellschaft, nicht nur für den Klimaschutz, sondern auch für den Erhalt der biologischen Vielfalt und die Klimafolgenanpassung.
Ist Deutschland und speziell Niedersachsen eigentlich auf Klimakurs? Und wo besteht der größte Handlungsbedarf?
Vor wenigen Wochen haben wir ja das aktuelle Gutachten des Expertenrats für Klimafragen in Deutschland bekommen mit interessanten Ergebnissen. Ein zentrales Ergebnis ist: Deutschland ist noch nicht auf Kurs, um die Klimaziele zu erreichen. Der Grund dafür ist, dass einige Sektoren nach wie vor erheblich aus dem Ruder laufen. Die größten Defizite liegen in den Bereichen Verkehr und Gebäude. Wenn man sich den Verkehr anschaut, dann stellt man fest, dass die Treibhausgasemissionen in den zurückliegenden zwei Jahren, also die Spanne 2021 bis 2023, sogar gestiegen und nicht gesunken sind, wie in den anderen Sektoren. Das liegt eben daran, dass wir nach wie vor auf fossile Energieträger setzen. Das heißt, hier brauchen wir die dringendsten Nachsteuerungen.
Positiv sind die Ergebnisse im Bereich Energie zu bewerten. Der Sektor hat tatsächlich in den letzten Jahren den größten Beitrag zur Reduktion der Treibhausgasemissionen geleistet.
Schaut man auf Niedersachsen, dann ist die Bilanz eine ganz ähnliche. Niedersachsen hat sogar die Nase vorn, wenn man sich den Energiesektor anschaut. Wir sind beim Windstrom tatsächlich führend in ganz Deutschland und haben in 2023 zum ersten Mal mehr Strom aus Erneuerbaren produziert als verbraucht. Das ist ein gutes Ergebnis und daran kann man anschließen. Ich kann hier wirklich sagen: Weiter so! […]
Das gesamte Interview mit Susanne Gerstner gibt es in der 15. Folge des Energiewende-Podcasts „Strom Aufwärts“ zu hören. In der Folge teilen noch weitere Personen aus unterschiedlichen Bereichen der Energiewende und Klima-Transformation ihre Perspektive und zeigen, wie demokratische Mitbestimmung in der aktuellen politischen Zeit aussieht.
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